DER LETZTE
LOKALMATADOR

 Eine Kurzgeschichte
von Patrick Klapetz

 

 

Vor lauter Freude zappelt und tanzt er durch die enge gepflasterte Straße, deren Steine gelblich-braun beschaffen sind. Die Wohnhäuser, in ihrem südländischen Antlitz, strahlen in roten, gelben, orangen und rosa Pastelltönen, während die sich auf den Fenstersimsen befindenden Blumen und Pflanzen in prachtvollen und kräftigen Farben erblühen. Die Straße führt an einer Terrasse vorbei, die den Blick auf Hügel und Felder, bestickt mit Olivenbäumen, freigibt.

 

 

Einen ebenso faszinierenden Anblick liefert das seidene und mit Gold durchwobene Lichtkleid, die Trade de Luces, des letzten Stierkämpfers im Dorf. Sein Chaqutilla, welches er über den Schultern trägt, ist mit zahllosen Pailletten bestickt. Dagegen wirkt seine Montera, die seinen Kopf schmückt, eher schlicht. Woür seine Taleguilla, die kurz über seinen Medias – den rosa Kniestrümpfen – endet, wiederum mit seinem Lichtkleid passend einhergeht.

 

 

Sein Freudentanz wurde durch seinen kürzlichen Sieg bei seiner Alternativa ausgelöst. Nun hat er unter Aufsicht eines anderen erfahrenen Matadors seine Probe bestanden und muss sich nicht mehr als Novillero mit den Jungstieren vergnügen. Seinen nächsten Corridas darf er nun als Matador, dem Stierschlächter, offiziell bestreiten. Somit ist sein sozialer Aufstieg vollzogen und der Weg zum Popstar am Stierkampfhimmel ist geebnet.

 

Mit klackenden Schnitten und kreisenden Bewegungen zwitschert er ein Freudenlied vor sich hin. Dabei funkelt seine Tracht im Sonnenlicht einher. Von dem kleinen, traurigen Straßenjungen der stehlen musste um nicht zu verhungern ist nichts mehr übrig.

 

Doch die Freude wehrt nicht für lange. Seine letzte Pirouette kommt frühzeitig zum Stillstand, als ihm ein kleiner Junge – der kaum älter zu sein scheint als er mit dem Stierkamp begonnen hatte – mit seiner eigenen Espada den Todesstoß durch sein Herz bescherte. Auf Zehenspitzen aufgerichtet beugt sich sein Oberkörper nach vorne, wodurch er sich unausweichlich noch tiefer ins Herz sticht. Sein Aufstieg als Pop-Matador wird unfreiwillig durch die Rolle des Torero, dem Stier, ausgetauscht. Der Schlächter durchlebt nun zum ersten Mal die Qualen, die seine novillos nach einem erhitzenden und aufreibenden Kampf durchleben musste und wird nun selbst zum geschlachteten Stier.

 

Erst durch das verstummen seines Tanzes werden die älteren Frauen, die zur Mittagszeit ihre Hauseingänge fegten oder ihre Blumenkästen pflegten, auf den in ihrer Straße vollzogenen Corrida aufmerksam. Ein Blumentopf zerschellt auf dem Boden. Hände schlagen sich vor den faltigen Gesichtern zusammen. Schockstarre. Verzweiflung. Ein schriller Schrei.


„Der Stier ist tot. Der Stier ist tot“, flüstert der Junge während er die Espada los lässt und der letzte Lokalmatador im Dorf zu Boden gleitet.

 

 


Der Autor versichert, dass alle seine Texte von ihm selbst verfasst wurden. Alle Rechte seines geistigen Eigentums unterliege dem Autor Patrick Klapetz.


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